Kommt jetzt die Zweiklassenmedizin?

22.04.2018 00:00

Die Gesundheitskosten und damit auch die Krankenkassenprämien haben sich seit 1996 mehr als verdoppelt. Eine Trendumkehr ist nicht absehbar: Jedes Jahr steigen die Prämien um rund 5%. Diese Entwicklung ist langfristig nicht tragbar und bringt viele Menschen in der Schweiz an ihre finanziellen Grenzen. Massnahmen sind dringend notwendig, hier sind sich für einmal alle einig.

Die Chefin der CSS-Krankenkasse Philomena Colatrella schlägt deshalb vor, die Mindestfranchise von heute 300 auf 10'000 Franken zu erhöhen. Damit würden die monatlichen Prämien dann um rund 170 Franken pro Person sinken. Konkret würde dies bedeuten, dass wir unsere Arzt- und Spitalkosten, die Medikamente und Therapien usw. bis zu einem Betrag von 10'000 Franken pro Jahr selber bezahlen müssten und erst ab dann die Krankenkassen übernehmen würden.

Der SVP-Politiker Heinz Brand, Präsident des Krankenkassenverbandes Santésuisse, setzt noch einen drauf. Brand will, dass die Krankenkassen zukünftig nur noch schwerwiegende und teure Herz-, Kreislauf- sowie Krebserkrankungen versichern. Für die normalen Arztbesuche und herkömmlichen Medikamente müssten die Leute selbst aufkommen, so Brand. Die Behandlung eines Armbruchs oder des grauen Stars könne nahezu jeder bezahlen, das koste einige Tausend Franken. Ganz zu schweigen von den üblichen, gewöhnlichen Arztbesuchen, meint Brand weiter. Nur für die wirklich teuren und chronischen Krankheiten brauche es eine Versicherung.

In der Colatrella/Brand-Welt werden wir aus Kostengründen Bein- und Armbrüche wieder wie in früheren Zeiten selber schienen, Schnittwunden vom Lebenspartner nähen lassen, offene Verletzungen mit billigem Schnaps desinfizieren. Hals-, Kopf- und Ohrenschmerzen gehören dann einfach zum normalen Alltag und ältere, wenig begüterte Menschen erblinden langsam. Dabei ist aber natürlich darauf zu achten, trotzdem immer pünktlich und fit zur Arbeit zu erscheinen. Sonst geht die (Kosten-)Rechnung von Colatrella und Brand ja wieder nicht auf. Schliesslich müssen wir ja alle sparen, ausser man gehört zu den "Oberen Zehntausend".

Gäbe es da nicht auch andere wirksame und sinnvollere Massnahmen? Medikamente, welche notabene vielfach in der Schweiz hergestellt werden, sind im Inland unverständlicherweise sehr viel teurer als in unseren Nachbarländern. Trotzdem blockiert die Politik seit Jahren den Kauf von Medikamenten im Ausland und schreibt vor, dass Medikamente in der Schweiz zu sehr teuren Preisen gekauft werden müssen. Welche Interessen werden hier wohl vertreten?

Das Bundesamt für Gesundheit geht davon aus, dass jährlich ca. 6 Milliarden Franken ohne Qualitätsverlust eingespart werden können. Es gibt viel zu viele Behandlungen, die eigentlich unnötig sind. Knie- und Hüftgelenkoperationen werden immer häufiger - die Schweiz ist Weltmeister hinsichtlich der Versorgung mit künstlichen Hüft- und Kniegelenken - aber sie bringen auf lange Sicht oft weniger gute Resultate als konventionelle, günstigere Behandlungen. Wenn ein Patient untersucht z.B. geröntgt wird, könnten diese Informationen ja auch allen weiteren Untersuchungen dienen und müssten nicht immer neu angefertigt werden. Ich habe letztes Jahr selber erfahren, wie meine Mutter innert weniger Wochen bei verschiedenen Ärzten und Kliniken ohne Grund immer wieder exakt dieselben Untersuchungen über sich ergehen lassen musste. Ist dies wirklich notwendig?

Irgendwie erinnerte mich das Ganze an die USA, wo Herr Trump die obligatorische Krankenversicherung gleich ganz abschaffen will.

Gute medizinische Versorgung zukünftig nur noch für Reiche?

 

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